Ein Fehler zum liebhaben Teil 9

Sieben Jahre später

Leicht außer Puste betrat Sven das Zimmer mit der Nummer 181, in dem ihn seine Frau erwartete.

Voller Stolz hielt sie ihr Wunder in den Armen, für das sie so lange gekämpft hatte.

Sven hatte sich nie mit der Diagnose ihres Frauenarztes zufriedengegeben und hatte sie nach langen dazu überreden können, sich einen neuen zu suchen. Mit diesem Arzt hatten sie Glück, er nahm Natalie ernst und unterstützte sie dabei, dass ihr Wunsch doch irgendwann wahr werden würde. Sie gab alles um ihre überschüssigen Pfunde los zu werden und mit jedem Gramm, das sie verlor, fühlte sie sich ihrem Wunsch etwas näher. Aber selbst etliche Kilos leichter blieb die erwünschte Schwangerschaft aus.

Das erste Mal als Natalie an etwas anderes dachte war, als ihre Hochzeit bevorstand. Sie blühte bei der Planung total auf. Selbst in ihren Flitterwochen dachte sie kein einziges Mal daran, erst als sie wieder zu Hause waren und der Alltägliche Trott begann, konnte sie an nichts anderes denken als endlich schwanger zu werden.

Sven ertrug es geduldig das seine Liebe kein anderes Thema kannte. Er machte auch alles mit, damit sie sich einfach besser fühlte. Schlussendlich fanden sie sich in einer Kinderwunschklink wieder. Nach drei Zyklen in denen die Eizellenreifung stimuliert wurde, entschloss man sich, es mit einer Intrauterine Insemination zu versuchen. Und direkt der erste Versuch war ein Volltreffer.

„So viel zum Thema das dauert noch“, Sven ging zu ihr und gab ihr einen Kuss, „ich hoffe du nimmst es mir nicht übel, dass ich erst jetzt komme.“

„Ist schon gut, es konnte ja keiner damit rechnen, dass es plötzlich so schnell geht. Sie hatte wohl einfach keine Lust mehr eingeengt zu sein.“

„Verübeln kann man es ihr nicht wirklich, ich mein, schau dir mal an wie groß sie ist. Wenn ich da an Nikki zurück denke könnte man echt meinen, sie sei schon Monate alt und nicht erst ein paar Stunden.“

„Das hat die Hebamme auch gesagt. Aber Mama hat es nicht gewundert. Sie sagte das ich damals genauso groß war.“

„Wo ist deine Mutter eigentlich“, suchend sah er sich in dem Zimmer um.

„Sie ist kurz vor dir gegangen, musste sich hinlegen.“

 „War wohl ein wenig zu viel für sie. Bis ich erst mal verstanden habe, warum sie anrief, vergingen bestimmt zehn Minuten. Was soll‘s. Ich bin einfach nur stolz auf dich, dass du das geschafft hast.“

„Hätte dich trotzdem gerne dabeigehabt.“

„Ich weiß, aber da du heute Morgen noch gar keine Anzeichen dafür hattest…. Ist Blöd gelaufen. Vor allem, da ich heute auch noch ab vom Arsch war.“

„Wusste dein Chef nicht, dass es jeden Moment los gehen könnte?“

„Das wusste er, aber da ich der einzige mit den nötigen Qualifizierungen bin, ging es nicht anders.“

„Okay … haken wir es einfach als Blöd gelaufen ab. Willst du sie denn mal halten?“.

„Ich dachte schon du fragst gar nicht.“

Ganz vorsichtig gab sie das kleine Mädchen an ihren Papa weiter.

„Es mag jetzt verrückt klingen, vor allem, da das jetzt schon das zweite Mal ist, aber irgendwie fühlt sich das hier das erste Mal richtig an. Damals bei Nikki fehlte mir der Bezug zu ihr, sie ist zwar meine Tochter, aber es fühlte sich nicht wie jetzt an.“

„So verrückt finde ich das gar nicht. Wir haben uns damals bewusst für diesen Schritt entschieden, bei Nicole wurdest du vor vollendete Tatsachen gestellt und bekamst von der Schwangerschaft nicht wirklich etwas mit. Bei ihr hast du alles mit gemacht. Die Freude über den positiven Test, der erste Ultraschall, die ersten Bewegungen, das alles hattest du bei Nicole nicht. Sie war auf einmal einfach da.“

„Die erste Zeit mit Nikki war nicht einfach. Ich mein, ich kümmerte mich die ersten Monate nur um sie, weil ich es als Verpflichtung meinerseits ansah.“

„Und doch bist du mittlerweile ein wunderbarer Papa für sie. Ich hatte mir früher immer so einen liebevollen Vater gewünscht.“

Gerührt von ihren Worten beugte er sich zu ihr, hauchte ein leises Danke und gab ihr einen dicken Schmatzer.

Nach dem Natalie wieder zu Hause war herrschte ein reges Treiben bei ihnen. Jeder wollte den Neuzugang begutachten. Yasemin, die den ganzen Trubel kannte, kam erst vorbei, als die beiden eine Zeit zum Verschnaufen hatten. Wenn es nach Nicole ging war die Entscheidung ihrer Mutter sowas von Blöd, sie wollte ihre kleine Schwester kennenlernen und nicht Ewigkeiten lang warten.

„AHHH, mein Lieblings Papa“, überglücklich viel sie Sven in die Arme, nachdem sie das Haus betreten hatten.

„Man könnte ja meinen du hast noch einen.“

„Nö, aber ich dachte, so kann ich bei dir Punkten“, breit grinsend sah sie zu ihm auf.

„Und warum willst du bei mir Punkten? Hat deine Ma wieder bei irgendwas nein gesagt?“

Sie blickte über die Schulter zu Yasemin und schüttelte ihren Kopf: „Ne es ist eher ein anderes Problem. Die anderen in meiner Klasse … naja also sie ziehen über mich her, weil Mama immer so Stillos aussieht. Sie sie dir doch an, so taucht sie auch bei mir in der Schule auf und könnt ihr nicht einfach mal tauschen? Das du zu Elternabenden und so gehst … bitte?“

„Ich weiß jetzt ehrlich nicht, was daran so schlimm sein soll. Deine Ma zieht eben das an, was ihr gefällt und nicht, was man ihr vorschreibt. Eigentlich ist das etwas worauf du stolz sein kannst. Sie lässt sich von nichts manipulieren, sie ist einfach sie und das war sie schon immer.“

„Ja aber …“

„Meinst du wirklich du wärst mit mir besser dran? Sehe ich jetzt etwa anders aus als deine Ma?“

„Du bist ja auch zu Hause. Das ist etwas anderes.“

 „Es freut mich ehrlich, dass ich in deinen Augen so das große Vorbild bin. Aber das bin ich einfach nicht.“

„Sven? Tu ihr einfach den gefallen“, kam es mit ruhiger Stimme von Yasemin.

„Aber ist das nicht genau das, was du nie wolltest?“

„Mit nicht wollen hatte das nie viel zu tun. Sondern damit, dass ich dich entlasten wollte. Es wäre jetzt ja nur einmal ein Versuch, sollte der nichts bringen, müssen wir gucken wie es weiter geht.“

„Bitte Papa, tu’s für mich“, bettelnd sah Nicole ihn mit seinen Augen an.

„Wenn mich zwei so hübsche Ladys darum bitten, kann ich einfach nicht mehr Nein sagen.“

„Danke Papa“, sie strahlte über beide Ohren als sie Sven um den Hals viel, „du bist einfach der beste Papa den man haben kann.“

„Pass auf, dass du auf deiner Schleimspur nicht ausrutschst, werte Dame“, sprach Yasemin mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

„Kann ich jetzt endlich mal meine kleine Schwester sehen?“, platzte es aus Nicole kaum, dass sie ihren Vater los lies.

„Was habe ich dir zum Thema Geduld gesagt“, tadelte sie Yasemin.

„Ist schon gut Yas.“

„Nichts ist gut, sie muss auch mal kapieren, dass sie warten muss.“

„Wird sie wohl auch müssen. Aktuell schlafen beide. Aber wir können uns auch hinsetzen, da fällt das Warten doch etwas leichter.“

Kaum, dass sie sich gesetzt hatten ging die Schlafzimmertür auf und Natalie betrat den Raum. Sofort waren die Augen auf sie und den kleinen Wonneproppen gerichtet.

Nicole saß aufglühenden Kohlen. Sie wollte ihre Schwester aus nächster Nähe sehen, doch nur eine Bewegung und ihre Mutter sah sie ermahnend an.

Mit jeder Sekunde die verging wurde Nicole unruhiger, sie wollte gerade aufspringen, da kam Natalie auf sie zu und gab ihr ihre kleine Schwester.

„Pass auf, sie wiegt ein bisschen was“, warnte Natalie sie vor.

Einige Minuten sah Nicole schweigend auf ihre Schwester hinab und sah dann zu ihrem Papa und Natalie, die mittlerweile neben ihm saß: „Sie ist ja sowas von Süß. Ich möchte sie am liebsten mitnehmen.“

„Da wird dir dein Papa aber etwas anderes sagen“, kam es von Yasemin.

„Hat sie eigentlich auch einen Namen?“, fragte Nicole.

„Antonia, wie Natalies Oma.“

„Hast du also doch am Ende gewonnen“, Yasemin konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.

„Aus demselben Grund wie du bei Nikki, ich habe einfach klein beigegeben.“

„Wer weiß, vielleicht hast du ja noch mal die Chance.“

„Ich denke schon.“

„Bist du dir sicher Natalie? Ich hatte damals nach Nikkis Geburt die Schnauze voll.“

„Antonias Geburt verlief ja komplikationslos, wenn auch ein wenig arg schnell. Aber sie in den Armen zu halten zeigt mir, dass es das richtige ist. Auch wenn ich ein Einzelkind bin hatte ich immer schon den Traum, zwei oder drei Kinder zu haben. Meine Oma sagte immer, das sind die Italienischen Gene in mir. Meine Oma hat dreizehn Geschwister und selber hatte sie auch fünf Kinder.“

„Spielt der Papa da eigentlich mit?“

„Solange meine Süße glücklich ist, ist mir alles egal. Das Haus ist groß genug und wenn es an Platz fehlen sollte, ja dann wird eben erweitert. Ist hierbei ja kein Problem.“

„Natalie du kannst dich echt glücklich schätzen so jemanden wie Sven an deiner Seite zu haben.“

„Ja das weiß ich.“

Yasemin und Nicole waren kaum gegangen, da gingen die glücklichen Eltern in ihren Garten.

 „Und du würdest das wirklich alles noch mal mit machen, wenn es wieder nicht auf normalen Wegen funktioniert“, fragend blickte Natalie in die Augen ihres Mannes.

„Wenn ich dich dafür nur noch so strahlen sehe wie jetzt, wäre mir das alles egal.“

„Bist du dir da wirklich sicher? Ab und an kamst du mir schon etwas genervt rüber.“

„Das ist ja auch nicht ohne und natürlich kann es einem schon mal zu viel werden. Aber ich muss nur dich oder unsere kleine ansehen und weiß, dass es das Theater wert war. Und genau deshalb würde ich es wieder mit machen.“

„Ich war damals wirklich blöd dich abzuservieren.“

„Ach komm, das ist Jahre her und tut jetzt auch nichts mehr zur Sache. Das Einzige was zählt, ist, dass wir zusammen sind.“

„Daran wird sich auch nichts mehr ändern.“

Zärtlich berührten sich ihre Lippen.

Ende