Ein Fehler zum liebhaben Teil 4

Es vergingen Monate.

Sven, der eigentlich ein sehr lebensfroher Geselle war, hatte sich komplett zurückgezogen. Einige Zeit hatte er alles getan, um Natalie zurück zu gewinnen. Aber sie wies ihn jedes Mal zurück. So kam der Tag, an dem er aufgab, der Tag an dem er sich von allen abwandte. Freunde aus der Uni, seine Familie und besonders Yasemin wollte er alle nicht mehr sehen oder irgendwas von hören. Grundlegend verließ er seine Wohnung nur noch, wenn es sein musste.

Yasemin hatte in der vergangenen Zeit immer wieder versucht an Sven ran zu kommen, scheiterte dabei aber immer. Sie litt sehr darunter, dass ihr bester Freund nichts mehr von ihr wissen wollte, war doch ihre Beziehung zu Tina noch schlechter geworden. Auch wenn sie ihr hoch und heilig versichert hatte, dass das nur ein Fehler war, konnte Tina ihr es nicht verzeihen. Und je weiter ihr Bauch wuchs, umso größer wurde Tinas Frust. Die beiden stritten jeden Tag aufs Neue. Ihre Auseinandersetzungen wurden immer schlimmer, so dass Yasemin sich dazu entschloss, Olive zu ihren Eltern zu geben. Sie musste es nicht mitbekommen wie sich die beiden ständig zofften.

Es war ein Tag im Spätsommer, als Yasemin es nicht mehr aushielt, dass Sven sie ignorierte. Sie nutzte es aus, dass Tina nicht in der Stadt war und lief zu seiner Wohnung. Ihr wurde ein wenig mulmig als sie vor seiner Wohnungstür stand und zögerte an zu schellen.

„Was willst du hier?“, sprach sie eine genervte Stimme an.

Erschrocken drehte sie sich zu der Stimme um und war sprachlos, als sie Sven sah. Er sah so anders aus, abgemagert, Augenringe, verschlissene alte Klamotten, einfach ungepflegt.

„Was willst du hier?“, wiederholte er seine Frage.

„Ich … ich wollte dich einfach sehen … du gehst mir aus dem Weg und, naja, du fehlst mir.“

„Dein Pech, nicht meines“, er schloss die Tür auf, betrat seine Wohnung und wollte Yasemin die Tür vor der Nase zuschlagen.

„Bitte lass uns reden.“

Augenrollend trat er von der Tür weg und ließ sie eintreten.

Yasmin viel direkt auf, dass die ganzen Bilder verschwunden waren. Und sie verstand, wieso Sven nichts mehr von ihr wissen wollte.

„Es tust mir leid“, sagte sie, als sie sich zu ihm aufs Sofa setzte.

„War`s das? Wenn ja, kannst du ruhig wieder verschwinden.“

„Sven, ich weiß das ich einen Fehler gemacht habe und wenn es dich aufheitert sieht es so aus, als wäre ich bald geschieden. Tina und ich streiten nur noch. Es ist so schlimm, dass ich Olive zu meinen Eltern gebracht habe.“

Er zuckte gleichgültig mit den Schultern.

„Dir ist im Moment einfach alles egal, habe ich recht?“

„Alles? Nein, mir ist es nur sowas von scheiß egal, was du für Probleme hast. Ich habe mir damals den Mund fusselig geredet. Aber anstelle auf mich zu hören, hast du ja nichts Besseres zu tun, als direkt zwei Beziehungen zu zerstören.“

„Ich weiß, dass es ein Fehler war. Aber sind wir nicht beide irgendwie dran schuld?“

„Wieso sollte es so sein?“

„Wer kam denn auf mich zu?“

„Und? Du hättest mir auch eine scheuern können oder hättest einfach gehen können.“

„Und du hättest dich vielleicht etwas zügeln sollen. Ich habe dir oft genug gesagt, dass es langsam reicht. Aber du wolltest nicht auf mich hören und hast weiter getrunken.“

„Kann mich nicht daran erinnern, dass du das gesagt hast.“

„Du kannst mir ruhig glauben, dass es so war. Ich wüsste in der Hinsicht nicht, warum ich meinen besten Freund anlügen sollte.“

In diesen einen Moment sprengte Yasemin die Mauer um sein Herz, sein zuvor noch kühler Blick änderte sich.

„Nach all der Zeit, in der ich dich ignoriert habe, nennst du mich immer noch so?“

„Warum denn nicht? Es mag vielleicht diese eine dumme Sache zwischen uns gewesen sein, aber wollen wir das deswegen wirklich aufgeben?“, sie berührte ihren Bauch, „Und wenn es sein muss, erkläre ich ihr, sobald sie alt genug ist, auch, wie sie entstanden ist.“

„Ihr?“

„Oh, Tschuldigung, das weiß du ja noch gar nicht. Einerseits wollte ich deswegen auch zu dir und weil ich wissen wollte, wie wir es mit ihr regeln. Und weil mir mein bester Freund einfach fehlt.“

„Das heißt. es wird… ist ein Mädchen? Habe ich das richtig kapiert?“

Bestätigend nickte Yasemin: „Ja, du wirst in ein paar Wochen der Vater von einem Mädchen sein.“

„Irgendwie klingt das … komisch. Ich hatte zwar einiges an Zeit um mich darauf vorzubereiten, aber so richtig wollte es nicht in meinem Kopf ankommen. Was wohl auch daran lag, dass ich Wochenlang gar nichts in meinem Kopf bekommen habe. Ich hänge jetzt noch mit dem Stoff hinterher, obwohl ich nur noch damit zugange bin, alles nachzuholen.“

„Wegen Natalie?“

Sven nickte zustimmend.

„Es tut mir wirklich leid, dass es so weit gekommen ist. Ich hatte wirklich gehofft, sie würde dir noch eine Chance geben.“

„Natalie und sowas verzeihen? Sorry, aber es war klar, dass es so kommt“, er atmete tief durch, „ich habe damals mein Studium links liegen gelassen, hab alles versucht, um sie zurück zu bekommen, aber Fehlanzeige. Sie will nichts mehr von mir wissen und als mir das klar wurde, habe ich den Boden unter den Füßen verloren.“

„Es tut mir leid.“

„Yas es ist gut. Wie du schon sagtest. Wir sind beide dran schuld“, er ließ seinen Kopf hängen, „vor einigen Wochen war es mein Paps, der mit genau dasselbe sagte. Es … es war ja nicht das erste Mal, dass das passiert ist.“

„Ähm aber nicht mit mir oder?“, sie sah ihn mit geweiteten Augen an.

„Keine Sorge, das war noch bevor ich hier hingezogen bin. Ein paar aus meiner Klasse haben eine Party geschmissen und da habe ich es auch ein kleines bisschen übertrieben. Es war damals mit meinen Pa so abgesprochen, dass er mich zwischen 2 und 3 Uhr abholt. Schlussendlich hat er mich nicht nur abgeholt, sondern auch davor gerettet, dass ich eventuell mit 18 Vater geworden wäre. Als er mir das an dem Tag sagte habe ich ihn nur noch rausgeschmissen. Ich wollte nichts davon hören, dass ich eine Teilschuld hatte. Es war so viel einfacher dir die Schuld für alles zu geben.“

„Vielleicht hättest du mir das früher erzählen sollen. Dann hätte ich mich mit Tina eher darauf geeinigt, dass ich auf dem Sofa schlafe. Hätte uns beide einiges an Ärger erspart.“

„Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Wobei ich es schon wegen Nat hätte sagen müssen. Ich wollte sie nie betrügen und doch habe ich es getan.“

„Einigen wir uns darauf, dass du zu 25% dran schuld bist. Mich trifft immer noch die größte Schuld, denn ich war bei Verstand. Und hätte ich auf dich gehört und mit Tina gesprochen … also, wenn du willst kannst du mich weiter hassen.“

„Und was bringt es mir? Ganz genau, nichts. Es bringt mir ja nicht mal Nat zurück.“

„Sie fehlt dir, habe ich recht?“

„Würde ich sonst so aussehen? Ich versuche mich so weit wie möglich mit meinem Studium abzulenken … ich schlafe, wenn es hochkommt, drei bis vier Stunden am Tag.“

„Aber damit schadest du dir doch nur selber.“

„Ich komm mit klar.“

„Deine Augenringe sagen aber etwas anderes. Ist ja schon ein Wunder, dass du noch nicht umgekippt bist“, sie dachte kurz nach ehe sie weitersprach, „Weißt du was? Du legst dich jetzt hin und schläfst ein bisschen. Ich werde derweil einkaufen gehen und dann was vernünftiges Kochen. Denn ich möchte nicht wissen, was du die letzte Zeit gegessen hast …, wenn du mal etwas gegessen hast. Ist das ein Angebot?“

„Ich komme dann zwar immer noch nicht weiter, aber wahrscheinlich hast du recht. Ein bisschen mehr Schlaf könnte nicht schaden.“

„Na dann ab mit dir ins Bett“, sie scheuchte Sven in sein Schlafzimmer und ging erst, als er im Bett lag.

Yasemin brauchte nicht lange zum Einkaufen. Als sie wieder die Wohnung betrat sah sie zu den Stellen, an denen früher etliche Bilder hingen. Nicht nur Bilder von Natalie, auch Bilder von ihr und seiner Familie hingen einst dort. Jetzt sah man nur noch die hellen Flecken auf der Tapete. Sven hatte wirklich alle aus seinem Leben verbannt. Und das alles nur, weil sie ihn nicht zurückgewiesen hatte.

Sie seufzte unüberhörbar: „Was habe ich da nur angerichtet?“

Während sie die Einkäufe verstaute ratterte es in ihrem Kopf. Als sie das letzte Teil verstaut hatte stand ihr Entschluss fest. 

Ganz leise betrat sie das Schlafzimmer und ging zu Sven, der seelenruhig am Schlafen war.

Etwas schwerfällig kniete sie sich vor sein Bett und berührte seine Hand: „Ich werde meinen Fehler wieder gut machen, das verspreche ich dir.“

Kurz sah sie ihm noch beim Schlafen zu, erhob sich, ging zurück in den Wohnbereich und nahm sein Handy in die Hand. Wie sie es sich schon dachte hatte er Natalies Nummer immer noch gespeichert.

Ohne zu zögern tippte Yasemin die Nummer ab und rief an.

Was in ihrem Kopf eine super Idee war Entpuppte sich als Niete. Natalie ging zwar dran, aber kaum, dass Yasemin ihren Namen nannte, fing Natalie an sie zu beschimpfen und legte dann einfach auf.

Tja, so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Frustriert setzte sich Yasemin aufs Sofa. Sie versuchte eine Lösung zu finden. Aber sie kam immer zum selben Ergebnis – Natalie war ein sturer nachtragender Esel.

Weiter mit Teil 5