Ein Fehler zum liebhaben Teil 3
Erleichtert atmete Sven auf, als endlich das Haus, in den Yasemin zusammen mit Tina und ihrer Tochter lebte, in Sichtweite war. Den ganzen Weg über hatte Yasemin sich im Sekundentakt dafür entschuldigt, was sie getan hatte. Und Sven konnte es langsam nicht mehr hören.
„Ich will jetzt hier kein Herumgedruckse, du sagst ihr was Sache ist, kapiert?“, er sah Yasemin mit durchdringendem Blick an, als sie vor der Haustüre standen.
Sie nickte zustimmend, schloss die Tür auf und betrat das Haus zusammen mit Sven.
„Du wagst es echt noch, dich hier blicken zu lassen?“ Kaum, dass sie das Haus betreten hatten, ging Tina auf ihn los.
„Was für ‘ne Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“
„Tu nicht so nichts wissend, du weißt genau was ich meine. Meint ihr wirklich, ich sei blöd? Mir einen auf beste Freunde vorspielen und hinter meinem Rücken seid ihr am rumvögeln! Ja, ich weiß das MEINE Frau schwanger ist …“
„Aber ansonsten geht’s noch? Ich bin hier nicht der notorische Fremdgänger.“
„Zu einer Schwangerschaft gehören zwei und ich glaube kaum, dass Yasemin dadurch schwanger wurde, dass sich eure Finger berührt haben. Ne ne … ihr habt miteinander geschlafen … wie lang geht das schon?“
„Vielleicht solltest du mal deine Frau fragen, wieso es dazu kam. Ich kann dir nur sagen, dass ich nichts dafür kam.“
„Ihr Männer seid doch alle gleich. Durch die Weltgeschichte rammeln und dann nicht dazu stehen. Und ich dachte du seist anders. Ich habe dir vertraut Sven. Aber anscheinend bis du auch nicht besser als der Rest deiner Spezies.“
„Ich kann für das Ganze nichts.“
„Hör mal Freundchen“, sie packte ihn und drückte ihn gegen die Wand, „ich weiß recht gut mit wem meine Frau befreundet ist. Und du bist das einzige männliche Wesen, mit dem sie Zeit verbringt. Also rede dich hier nicht raus, sondern steh zu dem Scheiß den du gemacht hast.“
„Tina es reicht“, mischte sich endlich Yasemin ein, „Sven ist wirklich unschuldig. Es ist meine Schuld.“
„Jetzt nimm diesem Schmalspur Hengst nicht noch in Schutz.“
„Ich nehme ihn nicht in Schutz, ich sage lediglich die Wahrheit!“
„Warum solltest du freiwillig mit so einem ins Bett gehen?“
„Weil du sie nur noch ignorierst. Du merkst ja nicht mal, dass sie unglücklich ist.“
„Halt deine verdammte Klappe. Du hast mir nicht zu sagen, wie man eine Beziehung führt. Würdest du das Wissen, hättest du MEINE FRAU nie angerührt.“
„Deine Frau hat es schamlos ausgenutzt, dass ich nicht wirklich bei Verstand war.“
„Es stimmt Tina, ich habe ihn dazu gedrängt mit mir zu schlafen … Weil du ja nur noch deinen blöden Job kennst.“
„Darüber unterhalten wir uns gleich noch. Und du“, sie fixierte ihren Blick auf Sven, „Verschwinde. Ich will dich hier nie wieder sehen. Und wenn ich dich noch einmal in der Nähe von Yasemin sehe, dann lernst du mich kennen. Haben wir uns da verstanden?“
Er nickte bestätigend.
„Gut“, sie ließ ihn los, „da ist die Tür … verschwinde.“
Sven kam ihrer Bitte ohne zu zögern nach.
Kaum, dass sie die Tür hinter ihm zugeschlagen hatte, hörte er Tina rumschreien.
Er blickte kurz über die Schulter, dachte darüber nach, Yasemin beizustehen. Aber dann sagte er sich selber, dass sie dadurch muss. Vielleicht würde sie endlich mal aus ihrem Fehler lernen.
Ziellos lief er durch die Stadt. Seine Gedanken drehten sich nur um Natalie. Er wusste absolut nicht, wie er ihr das Erklären sollte, um vielleicht doch noch eine Chance von ihr zu bekommen. Wäre es nur eine einmalige Nummer gewesen ohne irgendwelche Folgen, könnte sie ihm vielleicht noch verzeihen. Aber er würde in ein paar Monaten Vater, das würde sie ihm nie verzeihen.
Sven seufzte unüberhörbar: „Yas, was hast du dir dabei nur gedacht.“
Er wusste nicht wie er das seiner Freundin erklären sollte. Egal wie, er würde sie verlieren und allein der Gedanke daran ließ seinen Magen verkrampfen.
Natalie war nicht nur irgendeine Frau. Nein, es war die eine. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Gefühle für eine Frau empfunden. Sie war die Frau, die er heiraten und eine Familie mitgründen wollte.
Trotz der späten Stunde hatte Natalie einem Treffen noch zugestimmt. Eigentlich war sie, als Sven sie anrief, auf den Weg ins Bett, doch durch seine hörbare Verzweiflung stimmte sie zu.
„Warum muss mir das eigentlich immer passieren?“ Sie konnte es nicht fassen, was Sven ihr da beichtete. „Ich hatte wirklich gedacht, du seist anders. Aber du bist auch nicht besser.“
„Ich kann doch nichts dafür.“
„Ja klar. Weißt du eigentlich, wie unglaubwürdig das klingt? Oh Gott, ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen. Schon als ich euch beide das erste Mal zusammen sah, wusste ich, dass da was läuft. Und ich blöde Kuh habe dir geglaubt.“
„Ich kann es dir doch auch nur sagen, wie es war. Ich hätte dich nie betrogen. Dafür bist du mir viel zu wichtig. Bitte … kannst du mir nicht einfach glauben?“
„Es geht nicht. Das letzte Mal, als ich das tat, wurde es schamlos ausgenutzt.“
„Ich bin aber nicht Mario. Natalie … bitte…“
„Nein, darüber hättest du dir Gedanken machen sollen, bevor du deine angebliche beste Freundin geschwängert hast. So leid es mir tut, aber ich kann das einfach nicht glauben. Es klingt zu … erfunden.“
„Es ist aber wahr.“
Natalie atmete schwer. Es tat ihr weh, Sven so verzweifelt zu sehen. Aber sie konnte ihm einfach nicht glauben. Zu tief saß noch der Schmerz von damals, als ihr Ex Freund Mario sie mehrfach betrogen hatte und ihr immer wieder sagte, dass er dazu genötigt worden sei. Blind vor Liebe wie sie war, hatte sie ihm geglaubt. Und jetzt kam Sven an und erzählte ihr fast dieselbe Geschichte? Nein. Sie würde diesen Fehler nicht noch einmal machen. Auch dann nicht, wenn es ihr das Herz brechen würde.
„Hey“, zärtlich berührte Sven sie an der Wange, „weißt du noch, was ich dir damals versprochen habe?“
„Mich nie anzulügen?“
Er nickte: „Und meinst du wirklich, ich würde mich daran nicht halten? Ich meine, warum sollte ich dir das erzählen, wenn ich es auch einfach verheimlichen könnte?“
„Vielleicht hättest du das besser.“
„Ich könnte es aber nicht. Ich habe dir mein Wort gegeben, dich nie anzulügen und daran halte ich mich.“
„Sagen kann man viel. Es tut mir leid, aber ich kann dir einfach nicht glauben.“
„Jetzt sei mal ehrlich! Meinst du wirklich, ich würde dir fremdgehen?“
Ihre Augen sahen an ihm vorbei, während sie zaghaft nickte.
„Hast du auch schon, bevor ich dir das jetzt erzählt habe, so über mich gedacht?“
Und wieder nickte sie.
„Das heißt, du hast mir nie vertraut?“
„Bedank dich bei meinem Ex. Er hat mich so oft betrogen und mir immer wieder gesagt, es sei nicht seine Schuld … Dabei ging es jedes Mal von ihm aus. Ich habe immer versucht, dir zu vertrauen. Aber sobald ich wieder alleine war, ging es einfach nicht. Ich brauche Baldrian, um überhaupt schlafen zu können. So verrückt macht es mich, wenn ich nicht in deiner Nähe bin.“
„Ich habe dir schon so oft angeboten, einfach bei mir zu bleiben.“
„Damit brauchst du jetzt erst gar nicht mehr anfangen. Der Zug ist abgefahren. Es hat einfach keinen Sinn“, sie atmete tief durch, „Am besten gehst du jetzt. Du hast mir gesagt was passiert ist und damit ist die Sache beendet.“
„Bitte, schmeiß deswegen doch nicht alles weg … ich liebe dich.“
„Es tut mir leid, aber ich kann dir jetzt noch weniger vertrauen als so schon.“
„Natalie …“
„Geh!“, sie zeigte zur Tür.
„Schatz bitte, ich ertrage es nicht dich zu verlieren.“
„Darüber hättest du dir vorher Gedanken machen sollen. Ich kann einfach nicht mit jemand zusammen sein, dem ich nicht vertrauen kann. Deswegen geh bitte.“
„Bitte! Ich kann doch nichts dafür, dass Yasemin es ausgenutzt hat, dass ich nicht bei Verstand war.“
„Sven“, sie sah ihn mit eiskaltem Blick in seine glasigen Augen, „akzeptier bitte, dass es vorbei ist und geht.“
Er erhob sich langsam und berührte noch einmal ihre Wange voller Zärtlichkeit: „Ich hoffe einfach das du irgendwann verstehst, dass nicht alle dir etwas Böses wollen.“
Niedergeschlagen verließ er Natalie und machte sich auf den Weg nach Hause.
Die ganze Fahrt über hatte er an nichts gedacht. Kaum betrat er seine Wohnung und sah die ganzen Bilder von Natalie, schnürte sich sein Hals zu.
Niedergeschlagen ließ er sich auf sein Bett fallen und versucht nicht mal gegen seine Tränen anzukämpfen.
Er hatte wegen seiner besten Freundin die Frau verloren, die er das erste Mal wirklich liebte. Keine von Natalies Vorgängerinnen hatte dieses Gefühl in ihm erweckt. Viele in seinem Umfeld haben sich gefragt, was er an ihr so toll fand. Die meisten sahen nur das verschüchterte und in ihren Augen fette Mädchen. Ein paar, die er von der Uni kannte, waren regelrecht erschüttert, dass er sich mit Natalie sehen ließ. Einer von denen schlug Sven sogar vor, sich eine Vorzeigefreundin anzuschaffen und sich mit der Dicken nur im heimlichen zu treffen.
Aber Sven wollte davon nichts hören. Er liebte Natalie so wie sie war. Ihm war es sogar egal, dass sie in viel zu großen Klamotten rumlief, nur um ihren, wie sie ihn immer nannte, hässlichen Körper zu verstecken. Er sagte ihr immer, dass, wenn sie sich so wohl fühle, es okay sei. Aber eigentlich habe sie gar keinen Grund sich zu verstecken. Jeden Tag sagte er ihr etliche Male wie wunderschön sie sei. Seine Worte fruchteten nach einer gewissen Zeit und Natalie hörte damit auf, sich zu verstecken. Sie verbannte ihre übergroßen Sachen in die hinterste Ecke ihres Schranks und trug nur noch das, was ihr gefiel.
Sven hatte bei ihr vieles zum Guten gewendet. Nur bei ihrer Eifersucht kam er nie weiter. Er hatte es versucht, schlug ihr sogar vor, gemeinsam mit ihr zu einer Therapie zu gehen. Aber sie wollte davon nichts hören. Irgendwann hatte er es aufgegeben.
Hätte er es doch weiter versucht. Vielleicht hätte sie eingesehen, dass es so nicht weiter geht. Und vielleicht würde er jetzt nicht hier auf seinem Bett liegen und der Frau, die für ihn alles war, hinterher trauern.
Weiter mit Teil 4