Ein Fehler zum liebhaben Teil 7

„Aber nur damit ich endlich meine Ruhe habe“, schnaufend setzte sie sich neben ihn und starte aufs Meer.

„Habe ich denn Recht? Ich kann es mir vielleicht auch einbilden, aber letztens, als wir uns kurz gesehen haben … ich weiß nicht, aber irgendwie hatte ich da das Gefühl, dass ich dir gar nicht so egal bin.“

Anstelle ihm zu Antworten kam sie mit einer Gegenfrage: „Warum machst du dir nach all der Zeit noch Hoffnung?“

„Weil ich dich nach wie vor Liebe. Du fehlst mir. An dem Tag, an dem du mich rausgeschmissen hast, zerbrach um mich rum alles. Wochenlang hatte ich keine Motivation für irgendwas. Alles, wofür ich zuvor gelebt hatte, war auf einmal weg.“

Natalie antwortete nicht, sie schloss ihre Augen und ließ den Kopf sinken.

„Dich bedrückt doch etwas, sag‘s doch einfach frei raus. Ich darf dir nach meinen Vergehen eh nichts mehr übelnehmen.“

„Erinnerst du dich noch damals an unser Gespräch?“, fing Natalie nach langem Schweigen an zu reden.

„Du meinst jetzt aber nicht das, wo ich gesagt habe was passiert ist, oder?“

„Nein, das war ein paar Tage vorher.“

„Hmm“, nachdenklich kratzte er sich am Kinn, „da verlangst da gerade was von mir … wir haben über so viel geredet. Wobei, meinst du etwa das, wo du dich wieder am Aufregen warst, weil deine letzte Blutung wieder so Ewigkeiten her war? Ich mein das Thema hatten wir damals öfters.“

„Genau das meine ich. An dem Tag, wo du abends noch zu mir kamst. Da hatte ich auch meinen Termin bei meinem Frauenarzt.“

„Das war an dem Tag?“

„Ja, war es und ich hatte dich auch gefragt, ob du mitkönntest. Nur konntest du nicht, weil du noch irgendwas für die Uni machen musstest. Jedenfalls bin ich da hin und durfte mir dann anhören, dass mein Zyklus so unregelmäßig ist, weil ich zu viele männliche Hormone habe. Ich habe ihn gefragt, was kann man dagegen machen und er meinte, dass nur eine spezielle Pille dagegen helfen würde. Darauf habe ich gefragt, was denn dann ist, wenn ich mal Kinder will. Da lächelte er nur und sagte mir, bei den Hormonwerten können ich mir eigene Kinder abschminken.“

Ohne um Erlaubnis zu fragen rückte Sven hinter Natalie und nahm sie in die Arme.

„Und ich Esel komm genau an den Tag an und erzähl dir, dass Yas von mir schwanger ist.“

„Es war für mich wie ein Schlag in die Fresse. Ein paar Stunden vorher durfte ich mir anhören, dass ich keine Kinder kriegen kann. Und dann kamst du an und sagtest mir, du wirst Vater. Mein Kopf versuchte mir einzureden das sei nur ein Scherz von dir, aber du hattest mir versprochen mich nicht anzulügen und irgendwie wäre es auch total blödsinnig gewesen, sowas zu erzählen, wenn es nicht stimmt. Ich weiß nicht was mir an dem Abend mehr weh tat.“

„Deswegen meinte deine Ma letztens auch, wo sie bei mir war, dass Nikki mir nur im Weg stehen würde. Ich gehe mal davon aus, dass sie weiß, was los ist.“

„Das Stimmt, Mama weiß es.“

„Und trotzdem hat sie alles versucht damit wir wieder zusammenkommen.“

„Sie ist meine Mama, sie weiß was in mir vorgeht.“

„Darf ich das jetzt als Bestätigung ansehen, dass ich dir doch nicht egal bin?“

„Natürlich bist du mir nicht egal.“

„Und warum dann das ganze Theater? Du hättest doch einfach mit mir reden können.“

„Ich wollte“, sie sah verlegen weg, „ich bin zur Uni, weil die Wahrscheinlichkeit dich da anzutreffen mir recht groß erschien. Aber dann waren da auf einmal diese Typen und sie wollten wissen, was ich Tonne dort will. Anfangs ignorierte ich es noch, aber sie wurden immer aufdringlicher und schlussendlich bin ich nur noch weggelaufen. Auf den Weg nach Hause hatte ich das Gefühl, mich würde jeder anstarren. Wenn irgendwo welche lachten, war es so, als würden sie über mich lachen“, sie sah zu ihm auf, „zu Hause kam mir dann der Gedanke das, wenn andere mich so sehen, warum sollte es bei dir dann anders sein. Ich bin nichts was man schön finden könnte, ich bin einfach nur Fett.“

Sven schnaubte verächtlich: „Keine Ahnung wieso du mich für so oberflächlich hältst, eigentlich solltest du wissen, dass ich es nicht bin. Mir ist es egal, ob du 60kg wiegst oder 200kg. Schlussendlich ist es der Charakter der zählt und deiner ist nun mal einmalig. Ich liebe dich, weil du du selbst bist und dich nicht verstellst, damit man dich toll findet. Und was andere darüber denken ist mir noch viel egaler. Ich liebe dich und wer ein Problem damit hat, der hat eben Pech.“

„Das sagst du doch jetzt nur einfach so, damit ich mich besser fühle.“

„Eigentlich nicht, aber ich kann jetzt eh sagen was ich will, das geht bei dir nur links rein und rechts wieder raus … ich kenne es ja bei dir.“, zärtlich küsste er ihre Wange.

„Warum eigentlich ich? An mir war doch noch nie etwas Tolles. Ich war immer nur die Dicke. Du hättest sonst wen haben können, allesamt schöner als ich…“

„Was bringt es mir, wenn sie Modelmaße hat, mein Herz aber nicht wirklich berührt? Bei all deinen Vorgängerinnen war dies der Fall. Die Verliebtheit verflog sehr schnell und dann war die Luft raus. Es war nicht Halbes und nichts Ganzes. Frag mal Yas, wie ich sie damals für verrückt erklärt habe, weil sie heiraten wollte. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie sie so blöd sein kann und sich so fest an jemanden binden will, ich hab es echt nicht kapiert. Und dann traf ich auf dich und es fühlte sich von Anfang an ganz anders an. Mit jedem Tag, den wir zusammen waren, verstand ich immer mehr, wieso Yas diesen Weg gegangen war. Du bist in meinen Augen die schönste, liebevollste und witzigste Frau, die mir je über den Weg gelaufen ist.“

„Und die mit ihrer Eifersucht und ihren Selbstzweifeln alles kaputt macht.“

„Dann ändre was dran. Ich habe dir immer gesagt, wenn du eine Therapie machen willst bin ich der Letzte, der dich nicht unterstützt.“

„Ich glaub ich sollte besser gehen“, Natalie befreite sich aus seiner Umarmung und stand auf.

„Echt jetzt?“

„Sven ich … ich kann das einfach nicht … bitte versteh das.“

„Sorry, aber das kann ich nicht“, jetzt stand auch er auf.

Er wollte sie in den Arm nehmen, doch sie drückte ihn sachte weg.

„Du hast mir versprochen, dass du mich, nachdem wir miteinander gesprochen haben, in Ruhe lässt.“

„Das war aber bevor du mir indirekt gesagt hast, dass du …“

„Sag es nicht!“, viel sie Sven ins Wort.

„Vor was hast du so eine Angst, dass du lieber allein sein willst als mit mir zusammen? Erklär es mir, bitte.“

„Ich bin einfach nicht das was du verdient hast.“

„Und woher willst du das wissen?“

„Wir passen einfach nicht zusammen. Ich bin doch nur der Schandfleck neben dir.“

„Warum redest du dir immer ein du seist hässlich?“, fassungslos sah er in Natalies Augen, „Du bist alles andere als hässlich … könntest du dich doch nur so sehen, wie ich es tu, dann würdest du nie wieder so etwas über dich sagen.“

„Selbst wenn bleibe ich immer die Fette.“

„Wenn es dich so sehr stört dann tu doch etwas dagegen. Schau dir Yas an, sie hat sich während der Schwangerschaft so viel drauf gefuttert und ist alles wieder losgeworden. Du musst nur wollen.“

Sie Schüttelte ihren Kopf: „Ich habe es so oft versucht, aber am Ende wog ich noch mehr als vorher. Das sind leider Nebenwirkungen meiner Pille.“

„Dann setz sie doch einfach ab. Was außer einen künstlichen Zyklus bringt sie dir?“

„So kriege ich wenigsten meine Periode.“

„Na toll, das ist für dich der positive Effekt dabei? Eine Blutung, die du nur durch künstliche Hormone bekommst … dafür nimmst du es in Kauf, dass du dich unwohl fühlst?“

„Das kann nur von einem Mann kommen, der keine Ahnung hat wie es ist, wenn man Ewigkeiten auf seine Periode warten darf.“

„Du tust gerade so als wäre mir das damals egal gewesen.“

„Ne, du hast ja direkt eine andere Lösung gefunden. Wenn man eine Freundin hat, die nicht schwanger werden kann, sucht man sich eben eine andere und Tada, es klappte direkt beim ersten Mal. Wie gesagt, dass mit uns wird nichts mehr. Du hast ja deine Familie, da bin ich eh nur überflüssig.“

„Ich glaube langsam, dass das, was dir damals dein Arzt sagte, dich mehr verletzte hat als mein Fremdgehen.“

Natalie wollte einfach nur noch weg, doch Sven hielt sie fest.

„Bitte geh nicht. Ich ertrage einfach keinen weiteren Tag mehr ohne dich. Mir ist alles egal, solange du einfach zu mir zurückkommst. Ich würde sogar die Verbindung zu Yas und Nikki kappen, wenn es dir lieber wäre. Was nützen mir die beiden, wenn ich dafür den Rest meines Lebens der Frau hinterher heule, die ich über alles liebe? Ich würde einfach alles tun nur um zu hören, dass du mich liebst.“

„Ich kann einfach nicht.“

„Dann sieh mir in die Augen und sag mir, dass du mich nicht mehr liebst und“, er seufzte, „ich lass dich für immer und ewig in Ruhe.“

Natalie sah ihn in die Augen, wollte das sagen was er hören wollte. Aber anstelle das sie ihren Mund öffnete, fingen ihre Lippen an zu zittern und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

„Du kannst es nicht, habe ich recht?“ Sie schüttelte ihren Kopf.

Sven sagte nichts, er zog sie einfach an sich ran und küsste sie.

Ohne Gegenwehr ließ sie es geschehen, was hatte sie dieses Gefühl vermisst.

Es war nicht nur ein einfacher Kuss, es war so viel mehr. Natalie hatte einfach alles, was mit Sven zu tun hatte, tief in sich vergraben. Ja selbst ihre Gefühle für ihn hatte sie weggesperrt. Genau in dem Moment, als seine Lippen ihre berührten, drang alles aus den Tiefen ihrer Seele hervor. Jede noch so kleine Erinnerung huschte an ihren geschlossenen Augen vorbei und zerrissen somit endlich die Ketten um ihr Herz.

Als Sven von ihr abließ war sie es, die ihn wieder ran zog, zu lange hatte sie ohne dieses Gefühl gelebt.

Gefühlte tausend Küsse später gab sie Sven endlich frei.

„Danke“, nuschelte sie in sein T-Shirt.

„Wofür?“

„Dafür das du mir endlich die Augen geöffnet hast. Ich glaub, dass damals war etwas zu viel an einem Tag.“

„Ist alles etwas blöd gelaufen.“

„Es tut mir leid … alles … und du hast recht.“

„Womit?“

„Mit der Therapie. Mein Herz sagte mir immer, ich kann dir vertrauen, aber mein Kopf, der verglich dich immer mit meinem Ex. Und leider habe ich mehr auf meinem Kopf gehört. Du bist nicht Mario, das weiß ich, aber trotz allem schwebte dieser Idiot immer über uns. Und ich möchte einfach nur glücklich sein, so wie jetzt, wo es nur uns gibt.“

„Ich werde immer zu dir stehen, egal bei was.“

Zärtlich strich Natalie ihm durchs Haar und sagte endlich das, worauf Sven so lange gewartet hatte.

Weiter mit Teil 8